Spanisches Erbrecht

I. ALLGEMEINES, KOLLISIONSRECHT

1. Rechtsquellen

Das spanische Kollisionsrecht ist im Codigo Civil (CC) geregelt. Normen, die das IPR betreffen, finden sich im Einführungstitel (Art. 8 – 12 CC), im Buch I, Titel III („von der Ehe“, Art. 107 CC), und im Buch III, Titel III („von den Erbfolgen“, Art. 732 – 736 CC). Übergangsbestimmungen im Bereich der Staatsangehörigkeit enthält das Gesetz Nr. 18 vom 17.12.1990.

2. Prozessrecht

Bei Sachverhalten mit Auslandsberührung wenden spanische Gerichte immer spanisches Verfahrensrecht an (lex-fori-Prinzip, Art. 8 II CC).

3. Interlokales (= interregionales) Privatrecht

In Spanien gilt kein einheitliches, für alle Provinzen gültiges Privatrecht. Auf dem Gebiete des Erbrechts existieren sieben verschiedene Rechtsordnungen, so

  • in Teilen des Baskenlandes: baskisches forales Zivilrecht
  • in Katalonien: katalanisches Zivilrecht
  • in Galizien: galizisches Zivilrecht
  • in Aragonien: aragonisches forales Zivilrecht
  • in Navarra: navarresisches forales Zivilrecht
  • auf den Balearen: balearisches Zivilrecht.

Im Übrigen gilt gemeinsprachiges Zivilrecht. Die Art. 13 – 16 CC bestimmen, welche der verschiedenen Teilrechtsordnungen für den konkreten Sachverhalt zur Anwendung gelangt.

4. Grundsätze des spanischen Kollisionsrechts

a. Sachnormverweisung

Im spanischen Kollisionsrecht gelten folgende Grundsätze:

Die Qualifikation, d.h. die Einordnung der Rechtsfrage unter eine bestimmte Kollisionsnorm, erfolgt nach spanischem Recht (lex fori, Art. 12 I CC); das bedeutet für das Erbrecht, dass die Frage, ob z.B. ein bestimmter Vorgang erb- oder güterrechtlich einzuordnen ist, aus der spanischen Sichtweise beantwortet wird.

Bei den Verweisungen handelt es sich um so genannte Sachnormverweisungen; es wird regelmäßig auf ausländisches materielles Recht und nicht auf das Kollisionsrecht des fremden Staates verwiesen (Art. 12 II CC).

Etwas anderes gilt nur, wenn das ausländische Kollisionsrecht auf das spanische Recht zurückverweist. Ausländisches Recht findet keine Anwendung, wenn es im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung steht (ordre public, Art. 12 III CC).

b. Staatsangehörigkeitsprinzip

Für das Personalstatut (Art. 9 I CC), das Familienrecht (Art. 9 II CC) und das Erbrecht (Art. 9 VIII CC) ist maßgeblicher Anknüpfungspunkt die Staatsangehörigkeit. Diese wird in Spanien nach dem ius-sanguinis-Prinzip (Abstammungsprinzip) erworben (Art. 17 CC). Bei Mehrstaatern gehen zunächst internationale Abkommen vor; ansonsten wird auf die Staatsangehörigkeit abgestellt, die mit dem gewöhnlichen Aufenthalt zusammenfällt. Jedoch gebührt der spanischen Staatsangehörigkeit im Zweifel immer der Vorrang (Art. 9 IX CC).

c. Erbstatut

Nach diesen Grundsätzen wird ein Erblasser, der ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, nach deutschem Recht beerbt. Dies gilt auch hinsichtlich seines in Spanien belegenden Vermögens einschließlich Immobiliarvermögen (Nachlasseinheit). Spanisches Regionalrecht (s. o., Kap. B. II. 1. b) ist für diese Frage unbeachtlich.

5. Einzelfälle, Deutsch/spanische Rechtsbeziehungen

a. Gemeinschaftliches Testament eines deutsch-spanischen Ehepaares

aa. Grundsätze

Eheleute möchten ein gemeinschaftliches Testament errichten, in welchem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben und ihre gemeinsamen Kinder zu Schlusserben nach dem Längstlebenden einsetzen. Der Ehemann ist deutscher Staatsangehöriger, die Ehefrau spanische Staatsangehörige.

Beide Rechtsordnungen wenden das Staatsangehörigkeitsprinzip an: Die Erbfolge nach dem deutschen Ehemann richtet sich nach deutschem Recht, die Erbfolge nach der spanischen Ehefrau nach spanischem Recht. Auch das spanische internationale Privatrecht (IPR) folgt dem Grundsatz der Nachlasseinheit und unterstellt sowohl das unbewegliche als auch das bewegliche Vermögen dem Heimatrecht des Erblassers.

Die Frage, ob die beiden Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament errichten dürfen, beurteilt sich aus deutscher Sicht nach dem Errichtungsstatut (Art. 26 Abs. 5 Satz 1 EGBGB). Dieses stellt auf das Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung ab. Es ist für jeden Testator getrennt dessen Errichtungsstatut zu prüfen. Beide Rechtsordnungen sind kumulativ anzuwenden. Unterscheiden sie sich in ihren Anforderungen, entscheiden die Vorschriften der strengeren von beiden.

Nach deutschem Recht ist ein gemeinschaftliches Testament von Ehegatten möglich; dasselbe gilt von eingetragenen Lebenspartnerschaften. Das spanische Recht untersagt gemeinschaftliche Testamente oder Erbverträge für spanische Staatsangehörige. Lediglich in den Regionalrechten von Aragon und Navarra sind gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge zugelassen. Nach dem Foralrecht von Katalonien sind Erbverträge in Form eines Ehevertrages zulässig, nicht jedoch gemeinschaftliche Testamente; in Galizien und auf den Balearen gelten wiederum andere Besonderheiten.

Ob dennoch das spanische IPR das gemeinschaftliche Testament gelten lässt, wenn es wenigstens nach dem Heimatrecht eines der Beteiligten zulässig ist, lässt sich nicht eindeutig feststellen, ist aber wohl eher zu verneinen. Aufgrund der Ungewissheit ist jedenfalls dringend davon abzuraten, ein gemeinschaftliches Testament zu verfassen. Notfalls sollten zusätzlich zwei Einzeltestamente errichtet werden.

bb. Rechtswahl

Sofern sich unbewegliches Vermögen in Deutschland befindet, kommt insoweit eine Rechtswahl in Betracht (Art. 25 Abs. 2 EGBGB). Die Rechtswahl hätte eine Nachlassspaltung zur Folge: Der spanische Erblasser würde hinsichtlich des in Deutschland belegenden unbeweglichen Vermögens nach deutschem Recht beerbt, für den übrigen Nachlass bliebe es bei der Erbfolge nach spanischem Recht. Gemeinschaftliches Testament und Erbvertrag sind –soweit die Rechtswahl reicht – selbst in den Fällen zulässig, in denen das Heimatrecht des Erblassers diese verbietet.

cc. Formvorschriften im deutsch-spanischen Rechtsverhältnis

Sowohl aus deutscher als auch aus spanischer Sicht findet hinsichtlich der frage der bei der Testamentserrichtung einzuhaltenden Formen das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht Anwendung. Art. 1 a) des Haager Übereinkommens lässt die Einhaltung der Ortsform genügen, so dass bei Einhaltung der deutschen Formvorschriften auch ein Testament eines spanischen Staatsbürgers, welches z.B. vor einem deutschen Notar errichtet wird, in Spanien anerkannt wird.

II. MATERIELLES ERBRECHT

Grundsätzlich ist das materielle Erbrecht im Codigo Civil (CC) geregelt. Im Einzelfall sind Regionalrechte (Foralrechte, s. o.) zu beachten.

1. Universalsukzession

Das spanische Recht folgt dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge (Art. 657, 661 CC). Wie im deutschen Recht gehen die Rechte und Pflichten einer Person im Augenblick des Todes auf die Erben über.

a. gesetzliche Erbfolge

Es gilt das Verwandtenerbrecht. Zunächst erben

  • die Abkömmlinge (Art. 930 CC),
  • dann die Vorfahren in gerader Linie ( Art. 930 CC).

Nichteheliche Kinder sind den ehelichen gleichgestellt. Eltern erben zu gleichen Teilen. Ist nur noch ein Elternteil vorhanden, so erbt er allein, sind beide Eltern verstorben, so fällt der Nachlass dem gradnächsten Vorfahren zu (Art. 938 CC). Ansonsten sind Seitenverwandte und der überlebende Ehegatte als Erben berufen (Art. 943 CC).

Sind weder Abkömmlinge, Vorfahren noch Seitenverwandte vorhanden, erbt der überlebende Ehegatte allein (Art. 944 CC).

b. Ansprüche des überlebenden Ehegatten

Neben der eben dargestellten Möglichkeit, als gesetzlicher Erbe am Nachlass zu partizipieren, erhält der Ehegatte im Regelfall einen bloßen Nießbrauch an einer Quote des Nachlasses.

  • 1/3 neben den Abkömmlingen (Art. 834 CC)
  • 1/2 neben den Vorfahren in gerader Linie (Art. 837 CC)
  • 2/3 neben Seitenverwandten (Art. 838 CC).

Daneben erhält der Ehegatte die Hälfte dessen, was in die Errungenschaftsgemeinschaft (Art. 1392, 1404 CC) gehört.

Fazit: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ist also erheblich schwächer ausgestaltet als im deutschen Erbrecht.
Wichtig: Wird der Ehegatte nicht Erbe, so haftet er auch nicht für Nachlassverbindlichkeiten.

2. Gewillkürte Erbfolge

a. Testierfähigkeit

Testierfähigkeit besteht, wenn der künftige Erblasser mindestens 14 Jahre alt und geschäftsfähig ist (Art. 662, 663 CC). Bei eigenhändigen Testamenten ist Volljährigkeit Voraussetzung (Art. 688 I CC). Entsprechend der deutschen Regelung ist eine Vertretung oder Drittbestimmung unzulässig (Art. 670 CC). Jedoch kann einem Dritten die Verteilung innerhalb einer bestimmten Personenklasse überlassen werden (Art. 671 CC).

b. Testamentsform

Ordentliches („gewöhnliches“) Testament
eigenhändiges Testament
(Art. 678, 688 CC)
offenes Testament
(Art. 679, 694 CC)
verschlossenes Testament
(Art. 707 f CC)
  • eigenhändig ge- und unterschrieben
  • Errichtungsdatum
  • Volljährigkeit
  • rechtzeitige Vorlage an den Richter I. Instanz, (Art. 689 CC)
  • Notar und 3 Zeugen
  • Unterzeichnung durch Erblasser und Zeugen
  • vom Erblasser oder anderen Personen geschrieben
  • Übergabe an Notar in Anwesenheit von 5 Zeugen
  • Außerordentliches Testament („Sondertestament“), Art. 716-736 CC
    Militärtestament Seetestament Im Ausland errichtetes Testament

    c. Widerruf letztwilliger Verfügungen

    Der Widerruf kann durch Testament oder durch Zerstörung bzw. Beschädigung des selbst aufbewahrten verschlossenen Testaments erfolgen (Art. 737 ff. CC).

    d. Inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten

    Inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten
    Erbeinsetzung
    (Art. 660,744 ff. CC)
    nicht möglich bei
    Vermächtnis
    (Art. 660 CC)
    Testamentsvollstreckung
    (Art. 892-911 CC)
    Aufgaben:
    • Geistlichen (Art. 752 CC)
    • Vormund (Art. 753 CC)
    • Notar (Art. 754 CC)
    • Erbunwürdigen (Art. 756 CC) Art. 756 CC
    • Einzelrechtsnachfolge als schuldrechlicher Anspruch (Art. 885 CC)
    • Anspruchsgegner: Erbe oder Testamentsvollstrecker
    • Belastung mit Auflagen möglich, Art. 858 CC
    • Begräbnis
    • Erfüllung der Vermächtnisse
    • Überwachung der letztwilligen Anordnungen

    Der Testator kann auch Ersatzerben bestimmen (Art. 774 CC). Hingegen ist das Institut der Vor- und Nacherbfolge dem spanischen Recht fremd. Möglich sind aber Bedingungen und Befristungen (Art. 790-805 CC).

    Die Enterbungsgründe sind in den Art. 848 ff. CC näher dargelegt. Dabei sind Parallelen zu den §§ 2333, 2335 BGB erkennbar.

    Wichtig: Gemeinschaftliche Testamente sind nicht möglich (Art. 669, 773 CC).

    Danach ist ein von einem Spanier im Ausland errichtetes gemeinschaftliches Testament auch dann ungültig, wenn es nach den Gesetzen des Errichtungslandes zulässig ist. Dieses Verbot gilt auch bei Testamentserrichtung in den Foralgebieten.

    3. Noterbenrecht (Pflichtteilsrecht)

    Anders als das deutsche Pflichtteilsrecht ist das spanische Noterbenrecht nicht als schuldrechtlicher Anspruch, sondern als Verfügungsbeschränkung ausgestaltet. Der Erblasser kann nur dann frei über sein Vermögen verfügen, wenn keine Noterben vorhanden sind (Art. 763 CC).

    Noterbe
    Kinder 2/3
    (Art. 808 CC)
    Eltern ½
    (Art. 809 CC)
    Ehegatte hinsichtlich seines Nießbrauchs- oder Erbrechts
    • Abkömmlinge
    • Vorfahren
     

    Das Noterbenrecht kann nur bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes (Art. 852 ff. CC) entzogen werden. Übergangenen Noterben steht ein Ergänzungsanspruch nach Maßgabe des Art. 815 CC zu. Testamentarische Verfügungen, die das Noterbenrecht der zwingenden Erben mindern, werden auf Antrag insoweit herabgesetzt, als sie es schmälern. Dieser Anspruch kann im Klageweg geltend gemacht werden (Art. 817 ff. CC).

    Eine Besonderheit stellen die sogenannten Vorzugszuwendungen dar (Art. 823 CC). Danach kann der Vater oder die Mutter zugunsten von Abkömmlingen über eines der beiden Drittel verfügen, welche als Noterbenrecht bezeichnet sind.

    Verfügungsmöglichkeit des Erblassers
    1/3 1/3 1/3
    • frei verfügbar
    • Zuwendung an bestimmte Kinder
    • keine Verfügung möglich
    Fazit: Das spanische Erbrecht räumt dem Erblasser nur geringere Gestaltungsmöglichkeiten ein als das deutsche Erbrecht.

    4. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft

    Die Erbschaftsannahmeerklärung nach Art. 988 ff. CC ist Voraussetzung für die Eintragung im Eigentumsregister. Die Annahme kann ausdrücklich oder stillschweigend (durch Inbesitznahme) erfolgen (Art. 999 CC). Allerdings muss bei Grundbesitz die Annahme in notarieller Urkunde erklärt werden (Art. 1280 IV CC). Dabei ist grundsätzlich keine Frist für die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft einzuhalten. Jedoch setzt der Richter auf Antrag eines Dritten dem Erben eine Frist von längstens 30 Tagen zur Erklärung der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft (Art. 1005 CC). Geht keine Erklärung ein, gilt die Erbschaft als angenommen.

    Eine Anfechtung der Erklärung kann nur unter den Voraussetzungen des Art. 997 CC erfolgen:

    • Vorliegen eines Mangels, der die Willenserklärung annulliert oder
    • Auftauchen eines unbekanntes Testamentes.

    Möglich ist auch eine Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung (Art. 1010-1034 CC).
    Was die Form der Erklärung anbelangt, so hat die Ausschlagung grundsätzlich in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde zu erfolgen (Art. 1008 CC).

    5. Mehrheit von Erben

    Das Rechtsinstitut der Erbengemeinschaft ist dem Codigo Civil nicht bekannt. Insoweit sind wohl die Vorschriften über die Gütergemeinschaft anzuwenden (Art. 392 CC).

    6. Güterrecht

    Als gesetzlichen Güterstand sieht das spanische Recht die Errungenschaftsgemeinschaft vor (Art. 1316 CC). Danach wird alles, was jeder Ehegatte erwirbt, gemeinsames Vermögen (Art. 1344 CC). Bei Auflösung der Ehe steht jedem die Hälfte zu.
    Abweichend davon können die Eheleute den Güterstand der Teilhabe (Art. 1411 ff. CC), der weitgehend der deutschen Zugewinngemeinschaft entspricht, oder der Gütertrennung (Art. 1435 ff. CC), vereinbaren.
    Die Art des Güterstandes hat aber keinen Einfluss auf die Erbquote. Jedoch müssen bei der Feststellung des Umfanges des Nachlasses güterrechtliche Ausgleichsansprüche berücksichtigt werden.

    III. LITERATURHINWEISE

    1. allgemein zum spanischen Erbrecht:

     

    • Löber, Erben und Vererben in Spanien, 4. Auflage, 2000
    • Kroiß, Internationales Erbrecht, Einführung und Länderüberblick, 1999
    • Rudolph, Grundzüge des spanischen Ehe- und Erbrechts unter Berücksichtigung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland, MittRhNotK (Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer) 1990, S. 93

    2. Internationaler Rechtsverkehr:

    • Süß, Die Wahl deutschen Güterrechts für inländische Grundstücke, ZNotP (Zeitschrift für die notarielle Praxis), 1999, S. 385)
    • Flick/Piltz, Der internationale Erbrechtsfall, 1999